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Georg Aholt | Oktober 24, 2019 | 3 min.

Unternehmenswert: Erfolg mit Weitblick

KPIs für die Liquidität und die Rentabilität sind im Finanzwesen seit langer Zeit fest verankert. Als dritte Dimension sollte aber auch der Unternehmenswert in den Blick genommen werden. Denn so lässt sich der langfristige Erfolg sicherstellen.

Unternehmenswert: Erfolg mit Weitblick

Beschleunigung ist ein wesentliches Ziel des technologischen Fortschritts. So ist die Welt vor allem deshalb viel näher zusammengerückt (Globalisierung), weil Menschen und Güter per Flugzeug rasend schnell den Kontinent wechseln und Informationen mithilfe von IT- und Telekommunikationstechnologien (Digitalisierung) in Echtzeit den Erdball umkreisen. Das Streben nach immer mehr Tempo dominiert heute nahezu jeden Bereich in Wirtschaft und Gesellschaft: von der Reaktionszeit auf eine WhatsApp-Nachricht bis zur Time-to-Market für ein neues Fahrzeugmodell. Auch bei der wirtschaftlichen Performance von Unternehmen hat die Dynamik zugenommen. Quartalszahlen werden nicht nur von Aktiengesellschaften ermittelt und veröffentlicht, sondern auch von etlichen Unternehmen, die dazu nicht verpflichtet sind. Intern erfolgt häufig eine Beurteilung in noch kürzeren Abständen. Das steigert auf den ersten Blick die Transparenz und fördert damit bessere Entscheidungen. Auf den zweiten Blick ist aber sehr oft das Gegenteil der Fall: Die getroffenen Entscheidungen werden schlechter.

Fixstern am Business-Himmel

Der Grund für diese Entwicklung ist simpel. Werden Menschen nach den kurzfristigen Ergebnissen beurteilt, richten sie ihr Handeln darauf aus, schnell die gewünschten Effekte herbeizuführen. Die langfristigen Wirkungen bleiben dabei unberücksichtigt. Ein Beispiel: Das EBIT lässt sich deutlich steigern, wenn die Personalkosten drastisch reduziert werden. Früher oder später kann das aber zu einem deutlichen Rückgang des Umsatzes führen – und damit dann auch zu einem deutlich geringeren Gewinn, vielleicht sogar zu einem Verlust. Diese Entwicklung kann sich beschleunigen, wenn das Image des Unternehmens aufgrund der Entlassungen leidet. Schließlich kann durch einen drastischen Einschnitt beim Personal wertvolles Know-how verloren gehen, was dazu führt, dass das ganze Unternehmen auf Dauer geschwächt wird. Das trifft besonders innovative Unternehmen. Der für die Entscheidung verantwortliche Manager ist dann aber unter Umständen schon beim nächsten Unternehmen. Schließlich hat sich auch der Arbeitsmarkt beschleunigt.

Im Umkehrschluss heißt das nicht, dass eine kurzfristige Perspektive falsch ist. Tatsächlich ist es für jedes Unternehmen elementar, die Liquidität und die Rentabilität im Blick zu behalten. Um aber einen dauerhaften und nachhaltigen Erfolg sicherzustellen, ist ein Korrektiv erforderlich – ein langfristig ausgerichteter Fixstern, an dem sich die Verantwortlichen bei ihren Entscheidungen orientieren können und an denen sie gemessen werden. Der Unternehmenswert ist ein solcher Fixstern.

Es kommt also auf diese drei Dimensionen an, die drei unterschiedliche Zeiträume abdecken:

  • Liquidität > kurzfristig
  • Rentabilität > mittelfristig
  • Unternehmenswert: > langfristig

Unternehmenswert: Shareholder Value oder Economic Value Added

Der besondere Charme des Unternehmenswerts als Korrektiv liegt darin, dass er sich in die etablierte Systematik einfügt. Er ist keine weiche, irgendwie herbeiinterpretierte Einschätzung, sondern ein harter, mit einer nachvollziehbaren Methode ermittelter KPI. Dafür stehen im Wesentlichen zwei Methoden bzw. Steuerungsgrößen zur Verfügung. Der Unternehmenswert kann als Shareholder Value oder als Economic Value Added ausgedrückt werden. Gemeinsam ist beiden Ansätzen, dass sie das künftige Potenzial eines Unternehmens antizipieren, es in monetäre Größen transformieren und diese aufsummieren. So lässt sich zum Beispiel eine heutige Kostensenkung in Beziehung zu den Umsätzen, Kosten und Gewinnen der nächsten zehn Jahre setzen.

Der „Shareholder-Value-Ansatz“ wurde vom US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Alfred Rappaport entwickelt und im 1986 veröffentlichten Buch Creating Shareholder Value vorgestellt. Wie der verwendete Begriff nahelegt, stehen die Interessen der Shareholder – also der Anteilseigener – im Fokus. Für sie soll eine möglichst hohe Verzinsung des eingebrachten Eigenkapitals erreicht werden. Vorausgesetzt wird dabei, dass das Eigenkapital für längere Zeit im Unternehmen verbleibt. Berechnet wird der Shareholder Value auf Basis der freien Cashflows des betrachten Zeitraums.

Im Unterschied dazu geht der Economic Value Added (EVA) vom Residualgewinn aus, also vom Gewinn, der nach Abzug der Kapitalkosten verbleibt. Konzipiert wurde der Ansatz von der Unternehmensberatung Stern Stewart & Co, die ihn 1991 veröffentlichte. Wie der Shareholder Value bietet auch der EVA den Anteilseignern einen Bezugspunkt. Deren Interessen stehen aber nicht so explizit im Vordergrund – tatsächlich geht es eher um das gesamte Unternehmen als Organisation.

Der Unternehmenswert im Finanzwesen

Ob sich ein Unternehmen für den Shareholder Value entscheidet oder für den Economic Value Added, ist aus unserer Sicht zweitranging. In jedem Fall sollten sich die Verantwortlichen im Finanzwesen gemeinsam mit dem Management dazu committen, den Unternehmenswert überhaupt neben Liquidität und Rentabilität als dritte Dimension im Finanzcontrolling zu etablieren. Das bedeutet nicht nur, dass das Finanzwesen regelmäßig den aktuellen Wert des KPI bereitstellt. Dieser muss dann auch fester Bestandteil in der Beurteilung der handelnden Menschen werden. Auf diese Weise lässt sich erreichen, dass nachhaltige Entscheidungen getroffen werden.

Wie ein ganzheitliches Finanzcontrolling sinnvoll aufgebaut werden kann und welche Vorteile sich damit realisieren lassen, haben wir in unserem E-Book „So nutzt das Finanzwesen KPIs und Kennzahlen zielführend“ zusammengestellt.

– von Georg Aholt, Head of Center of Excellence “Business Analytics & Information Management, NTT DATA Business Solutions AG –
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