Lieferketten produzierender Unternehmen sind komplex und störanfällig. Im Bereich Life Sciences, mit seinen zahlreichen Marktzugangsbarrieren, gilt das besonders. So zwingen die Produktzulassung, die wenigen zertifizierten Rohstofflieferanten oder die kaum diversifizierten Vertriebskanäle bereits kleine Unternehmen, global zu handeln. Qualitätsanforderungen, Kontrolle und Dokumentation erschweren es der Branche, kreativ zu werden und Dinge auszuprobieren.
Es gibt gegenwärtig zwei Supply-Chain-Trends, die eine zeitgemäße Modernisierung der Prozesse erfordern. Diese Trends stehen zwar nicht im Widerspruch zueinander, sie konkurrieren jedoch zumindest teilweise miteinander: auf der einen Seite die Resilienz der Lieferkette, auf der anderen Seite ihre Reaktionsschnelligkeit.
Die resiliente Supply Chain
Eine resiliente Supply Chain definiert sich durch ihre Widerstands- und Erholungsfähigkeit. Sie ist in der Lage, den Auswirkungen einer Unterbrechung zu widerstehen oder die Unterbrechung vorherzusehen und sogar zu vermeiden. Dazu braucht es alternative und diversifizierte Lieferanten, die einspringen, falls ein Anbieter ausfällt. Das jedoch widerspricht der klassischen Entwicklung, dass Lieferanten immer weiter konsolidiert und tiefer in die eigenen Prozesse integriert werden.
Um vorübergehende Lieferengpässe auszugleichen, müsste eine resiliente Lieferkette über Zwischenlager verfügen, die Reserven vorhalten. Doch in den vergangenen Jahren lösten die Unternehmen auch ihre Lagerstrukturen unter dem stetigen Kostendruck auf und übertrugen das Risiko an die Transportlogistik.
Die reaktionsschnelle Supply Chain
Eine reaktionsschnelle Supply Chain dagegen ist der Versuch, für die zuletzt abnehmende Resilienz einen Plan B bereitzuhalten: Zum einen, um die Lieferkette über verschiedene Indikatoren zu überwachen und gegen mögliche Risiken abzusichern. Zum anderen, um die hochgradig kostenoptimierten Prozesse nicht zur alten Ineffizienz zurückzuentwickeln. Dieser Spagat funktioniert jedoch nur durch den Einsatz digitaler Technologie, die auf bestehende Prozesse aufsetzt, Daten nutzt und Teile der Steuerung übernimmt – ganz ähnlich dem Navigationssystem im Auto, das auf sich ändernde IST-Situationen Handlungsvorschläge unterbreitet.
Daten aus Drittsystemen machen den Unterschied
Die Produktion im Bereich Life Sciences hat spezielle Zielsetzungen, die sich durch Standardsoftware nur schwer abbilden lassen. Beispielsweise sollen nur ganze Produktionschargen ausgeführt oder verderbliche Produktionen zügig abgefüllt werden. Auch für die begleitende Qualitätssicherung oder die finale Produktionsfreigabe durch das Labor werden Drittsysteme wie MES, LIMS oder Beschaffungsplattformen zur Einbindung der Lieferanten benötigt.
Immer geht es dabei um Daten, diese zu sammeln, zu interpretieren und in die Steuerung einfließen zu lassen – auch vorausschauend für zuvor definierte Szenarien: Beispielsweise kann eine erwartete Nachfrage nach Antihistamin an den Wetterbericht und die Pollenflugvorhersage gekoppelt werden. Produzenten errechnen über Beschaffungs-, Auslastungs- und Logistikinformationen das „Available to Promise“-Datum und planen gegebenenfalls die Produktion.
Das Ergebnis: eine reaktionsschnelle, automatisierte Lieferkette, bei der die Produktion vollintegriert im Zentrum der Planung und Verfügbarkeitsprüfung steht. Und selbst wenn Hersteller noch „make to stock“ produzieren, können sie ihre Lager auf diese Weise effizienter halten, da sich die Nachfrage deutlich präziser berechnen lässt.
Interne Kühlketten als besondere Herausforderung
Im richtigen Moment über die richtigen Daten zu verfügen, ist insbesondere dort wichtig, wo pharmazeutische Unternehmen an strenge Temperaturvorschriften gebunden sind. Bisher haben sich Lösungen für die Kühlkettenlogistik hauptsächlich auf externe Kühlketten konzentriert: den Versand von API oder Medikamenten zu Kunden oder externen Lagern unter Überwachung der Temperatur während des Transports. Aber auch die interne Kühlkette gehört unbedingt in den Fokus. Unternehmen müssen sich die Fragen stellen:
- Wie stellen wir sicher, dass die in dem Medikament verwendeten Rohstoffe korrekt akklimatisiert wurden?
- Wie können wir garantieren, dass sich diese Materialien ausreichend zurückgewonnen haben, um wieder in der Produktion verwendet zu werden?
Wenn einzelne Materialien und Rohstoffe verderben, sorgt das für die Fehlproduktion ganzer Chargen. Um also rechtlichen Vorgaben zu genügen und unnötige Ausschuss zu minimieren, sollten sich Temperaturen und Standorte innerhalb der Kühlkette lückenlos und möglichst in Echtzeit überwachen lassen. Mit Software, die Sensorendaten an den Paletten auswertet und interpretiert wird das Realität. Selbst die Akklimatisierungs- und die Wiederherstellungszeit (Recovery Time) lassen sich dynamisch berechnen, um eine sichere Produktion zu gewährleisten.
Wenn Sie mehr über Lösungen für interne Kühlketten erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen unseren Blogbeitrag „Überwachen Sie die Qualität Ihrer Arzneimittelprodukte mit einer internen Kühlketten-Lösung (Cold Chain Solution)“.
Möchten Sie mehr über die Architektur einer reaktionsschnellen und resilienten Supply Chain erfahren? Interessieren Sie sich für den Einsatz agiler Methoden zur GAMP-konformen Validierung von IT-Systemen oder die Möglichkeiten einer personalisierten Fertigung? Dann empfehlen wir Ihnen den vollständigen Beitrag im ersten Teil unseres E-Books zur Blogreihe: