Als der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Alfred Rappaport Mitte der 1980er-Jahre sein Buch „Creating Shareholder Value“ veröffentlichte, etablierte er damit eine neue Sicht auf den Erfolg von Unternehmen. Statt sich lediglich an kurz- und mittelfristigen Grössen wie Umsatz und Gewinn zu orientieren, sollten Unternehmen ihren langfristigen Wert in den Blick nehmen und im Sinne der Anteilseigner:innen die Eigenkapitalrentabilität kontinuierlich steigern. Rappaport operationalisierte diese Idee mithilfe des Shareholder Value, der sich aus der Summe des diskontierten freien Cashflows abzüglich des Fremdkapitalwerts ergibt. Eine weitere Möglichkeit zur Ermittlung des Unternehmenswerts stellte 1999 Bennett Stewart – einer von zwei Gründern der Unternehmensberatung Stern Stewart & Co – in seinem Buch „The Quest for Value“ vor. Der Economic Value Added (EVA) summiert die aus dem eingesetzten Kapital resultierenden Erträge und zieht davon die gewichteten Kapitalkosten ab.
Auf Nummer sicher: Liquidität und Rentabilität
Soweit das theoretische Fundament, das zwar seit Jahrzehnten in der unternehmerischen Praxis zur Kenntnis genommen wird, nach unserer Beobachtung aber praktisch bei der Unternehmensführung kaum eine Rolle spielt. So sind es heute ausgerechnet börsennotierte Unternehmen, die sich von Quartalsergebnissen treiben lassen – mit dem Verweis auf die Interessen der Anleger:innen. Ein Grund dafür dürften die vergleichsweise simplen Ursache-Wirkung-Zusammenhänge sein. Das Management kann so recht sicher absehen, wie sich Entscheidungen kurz- und mittelfristig auf Liquidität und Rentabilität auswirken. Hinzu kommt als zweiter Grund, dass sich Kennzahlen zu Liquidität, etwa die Cash Ratio oder das Working Capital, und Rentabilität, von EAT und EBT über EBIT und EBITA bis NOPAT, sehr leicht ermitteln lassen. Die erforderlichen Daten liegen vor, die mathematischen Verfahren sind trivial.
Den Unternehmenswert zu berechnen, ist dagegen ein kompliziertes Vorhaben. Statt vorliegende Daten müssen prognostizierte Daten verwendet werden. Und diese Prognosen basieren auf vermuteten Zusammenhängen mit einer hohen Unsicherheit. Wenn also eine Investition heute auf jeden Fall den Gewinn in diesem Quartal oder in diesem Jahr schmälert, dafür aber eventuell in zehn Jahren dafür sorgt, dass überdurchschnittliche Gewinne erzielt werden – dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich viele C-Level-Menschen für die erste, die sichere Variante entscheiden.
Von Descriptive zu Diagnostic, Predictive und Prescriptive
Verständlich ist dieses Verhalten. Die beste Wahl für das Unternehmen, die Shareholder und sämtliche Stakeholder ist die Herangehensweise nicht. Insofern lohnt es sich, intensiv mit einem datenbasierten Management zu befassen, das elaborierte Analyseverfahren nutzt. Denn dieses sind nicht nur in der Lage, zu beschreiben, was gerade tatsächlich ist (Descriptive Analytics). Sie erlauben es auch, zu identifizieren, warum etwas ist, wie es ist (Diagnostic Analytics), zu prognostizieren, wie etwas sein wird (Predictive Analytics) und wie sich beeinflussen lässt, wie etwas sein wird (Prescriptive Analytics). Elaborierte Analyseverfahren sind damit der Enabler für eine wertorientiere Unternehmensführung.
Konkret sind dafür zwei Aspekte wichtig: Erstens muss die Datenbasis erweitert werden. Neben den kaufmännischen Daten, die ohnehin sehr umfassend in den ERP-Systemen der Unternehmen vorhanden sind, können weitere strukturierte, vor allem aber auch unstrukturierte Daten aus weiteren internen und externen Quellen ergänzt werden. Neben erwerbbaren Markt- oder Mitbewerberdaten wie beispielsweise Preisdaten können auch Daten beteiligter Lieferanten oder von Kunden integriert werden. Zweitens müssen die beiden Disziplinen Reporting (Vergangenheit) und Planung (Zukunft) integriert werden: Sie müssen jeweils sämtliche Bereiche eines Unternehmens umfassen und ausserdem zusammengeführt werden können.